Der Thron Gottes
von P. Albert Maria Weiß O.Pr.
Auszüge aus dem Buch: Der Geist des Christentums
(1928)

Was der Thron Gottes ist, das wird keine Menschenzunge beschreiben können, denn die Herrlichkeit des Herrn ist der menschlichen Fassungskraft unzugänglich. Aber was vom Throne Gottes ausgeht, davon können wir eher sprechen, denn hier handelt es sich um die Wirkungen der göttlichen Macht, die sich in der Zeit und in der Welt zu uns herablassen und vor den Augen unseres Geistes vor sich gehen.

Vor allem ist von seinem Thron ausgegangen die Welt, die Welt der Geister, die unsichtbare wie die sichtbare Welt mit all ihren Kräften, all ihren Gesetzen, all ihren Wundern.
     Wenn wir vom Throne Gottes reden, denken wir zunächst an die Schöpfung. Was immer außer Gott ist, hat sein Dasein von ihm. Es ist nicht aus seinem Wesen hervorgegangen, es hat ihm nichts entzogen, er ist davon nicht ärmer, nicht kleiner, nicht schwächer geworden, alles ist durch ihn au s dem Nichts hervorgerufen, nicht weil es ein Recht auf das Sein hatte, nicht, weil er durch seine Natur dazu genötigt war, sondern einzig durch seinen freien erbarmenden Willen, einzig durch sein Schöpferwort. Er allein konnte alles machen, und er machte alles, was ist, alles, was er wollte, alles, weil er wollte, alles, wie er wollte.
     Seitdem, sagt der Psalmist zu Gott, ist dein Thron aufgeschlagen (Zsolt 92,2). Um aber jede Missdeutung abzuweisen, als ob dieser Thron jemals seine Stelle wechseln könnte, sagt er an einer anderen Stelle: Dein Thron, o Gott, steht von Ewigkeit zu Ewigkeit (Zsolt 44,7).

Gottes Majestät leuchtet uns nicht nur daraus entgegen, daß alles geworden ist durch sein bloßes Wort, mit anderen Worten, daß alles von ihm ausgegangen ist, sondern auch daraus, daß alles auf immer und ewig für ihn gemacht ist.
     Er ist der einzige Endzweck, um dessenwillen er alles gemacht hat. Nicht als ob er etwas von seinen Geschöpfen erwartete. Dazu steht sein Thron zu hoch über ihnen. Nein, gerade umgekehrt, damit sie von seiner Fülle empfangen. Seine Ehre kann nichts mehren, denn sie ist unermeßlich in sich. Aber er kann seine Ehre den Geschöpfen gegenüber erzeigen, indem er aus seinen königlichen Schätzen verschwenderisch an sie austeilt.

Damit aber die Geschöpfe diesen hohen Endzweck erreichen, brauchen sie einen Weg. Diesen zu finden und zu bahnen, konnte die göttliche Güte und die göttliche Weisheit – auch sie sitzt auf dem Throne Gottes – nicht den gebrechlichen Werken ihrer Hände überlassen, denn ein so erhabener, so beschwerlicher, so gefahrvoller Weg wäre mit zu viel Unsicherheit verbunden. Er mutet ihnen auch so noch, da sie ihn gebahnt vorfinden, Ernst und Anstrengung genug zu.
     Um dieser Rücksichten willen hat Gott sein Gesetz in die Herzen geschrieben, damit keiner sei, der den Weg zu ihm nicht finden könne. Wie er den Sternen ihre Bahnen und den Elementen ihre Wirkungsweise vorgeschrieben hat, so hat er den Menschen im einzelnen und der Menschengemeinschaft im großen ihre Denk- und Handlungsweise vorgezeichnet. Seine Gesetze, die physischen wie die moralischen, sind ein Ausfluß seines Willens; das, was wir die natürliche und die moralische Weltordnung nennen, ist ein Hauptschmuck seines Thrones.

Wer an einen persönlichen, d. h. freien Gott, den Herrn, den Leiter und den Regierer der Welt glaubt, kann nicht am wenigsten daran zweifeln, daß Gott in seiner Wirksamkeit nicht an die Naturgesetze gebunden ist. Denn das begreift sich ohne lange Untersuchung, daß Gott, der für gewöhnlich eine Wirkung durch bestimmte Mittelursachen oder Werkzeuge hervorbringt, Macht, Weisheit und Freiheit genug besitzt, um dieselbe Wirkung auch durch andere Zwischenglieder oder zuletzt ohne alle und jede Vermittelung unmittelbar selber hervorzurufen.
     Wir nennen das Wunder. Für ihn liegt darin nichts, was sein Verhältnis zur Wirkung änderte. Er bringt dieselbe Wirkung hervor, indem er sich dazu eines Werkzeuges bedient. Er kann dieselbe Wirkung hervorbringen, ohne daß er sich an dieses Werkzeug bindet.
Adam war sein Geschöpf, weil er ihn selber bildete. Abel war nicht minder sein Geschöpf, obwohl er ihn durch Adam und Eva bildete. Indem der Heilige Geist den Leib Christi in der Jungfrau bildete, hat er nur auf die gewöhnliche Mittelsperson verzichtet, zum Teil wenigstens in derselben Weise, wie es bei der Schöpfung Adams der Fall war.

Und wie es sich mit dem Verhältnis Gottes zur physischen Weltordnung verhält, so auch mit dem zur sogenannten moralischen Weltordnung. Gott ändert nicht die sittlichen und religiösen Gesetze, die den Menschen zum Dienste Gottes verpflichten aus seiner eigenen natürlichen Überzeugung heraus, wie wir zu sagen pflegen, durch das in sein Gewissen geschriebene Naturgesetz. Aber er ist frei, den Menschen zu einer höheren Ordnung zu erheben, und ihm zu diesem Behuf höhere Wahrheiten und höhere Pflichten kundzugeben, mit einem Wort, ihn durch die übernatürliche Offenbarung zur übernatürlichen Ordnung zu erheben.
     Alle Schwierigkeiten, die gegen diese Lehre erhoben werden, gehen von demselben Irrtum aus, als sei Gott durch die natürliche Ordnung unabänderlich gebunden. Es braucht nichts, als daß wir bedenken, Gott herrsche frei und mit vollster Macht von seinem Throne aus, und alle jene kleinlichen Bedenken fallen in sich selber zusammen.


16. Dezember 2016


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