Unstimmigkeiten (1/2)

Bemerkung:
Am Ende dieses Artikels schrieb sein Verfasser über der Frage der „Corona“-Impfung. Er beschreibt, was "Bischof" Sanborn darüber geschrieben hat, und dann macht er folgende Bemerkung: „Dabei klingen seine [Sanborns] Ausführungen im Ganzen recht vernünftig.“ Dann endete er seinen Artikel mit der Bemerkung: „Fortsetzung folgt“…
     Für mein Thema war nur dieser Teil des Artikels wichtig. Ich veröffentliche doch den ganzen Artikel, und zwar aus folgenden Gründen:
Es folgte nie eine Fortsetzung. Nach diesem Artikel wurde die Seite „Privat“. – Und nicht nur das: Alle frühere Artikel, die in den letzten – etwa 20 Jahre – hier erschienen sind, wurden auch aus der offiziellen Webseite des Vereines entfernt – nicht einmal den Name der Webseite wird dort jetzt erwähnt. Und selbst im „webarchiv“ sind sie nicht auffindbar (eine Seite im Internet, wo man alte Inhalte oft noch nachlesen kann, falls sie nicht von den Verfassern direkt gelöscht wurden).




Unstimmigkeiten (1/2)
By zelozelavi, on 23. Dez 2021

1. Zwischen zwei bedeutenden Zentren bzw. Häuptern der „Sedisvakantisten“-Bewegung in den USA herrscht derzeit eine eklatante Disharmonie; man könnte es fast „Streit“ nennen. Das ist natürlich Wasser auf die Mühlen der Anti-Sedisvakantisten, die immer schon triumphierend auf die Uneinigkeit der „Sedisvakantisten“ verwiesen haben als „Beweis“, daß es sich beim „Sedisvakantismus“ nur um eine „Sackgasse“ handeln könne. Doch sehen wir uns die Sache genauer an.

„Die These“
2. Die Bischöfe Donald Sanborn und Daniel Dolan sind alte Weggefährten. Sie gehören beide zu „den Neun“, die im Jahre des Herrn 1983 von Erzbischof Lefebvre persönlich aus der „Piusbruderschaft“ geworfen wurden wegen angeblichen „Sedisvakantismus“. In Wahrheit hatten sie ernsthafte theologische Bedenken und Schwierigkeiten. Wir haben darüber schon ausführlich gehört (Ein Bischof spricht 1 u. 2, Der Erzbischof und die Neun 1 u. 2). Auch wenn die Wege „der Neun“ sich allmählich trennten und Sanborn und Dolan später unabhängig voneinander Bischöfe wurden (Sanborn am 19. Juni 2002 durch Bischof Robert McKenna, Dolan am 30. November 1993 durch Bischof Pivarunas, beide aus der „Thuc-Linie“), so blieben beide einander doch in freundschaftlicher Zusammenarbeit verbunden. Sanborn leitete seit 1995 das „Most-Holy-Trinity“-Seminar in Brooksville, Florida, während Dolan als „Pastor“ an der Kirche St. Gertrude the Great in Cincinnati, Ohio, verblieb, wo er schon als „Pius“-Priester gewirkt hatte. Die „Klammer“ zwischen beiden bildete vor allem Father Anthony Cekada, ebenfalls einer der „Neun“, der ein Mitarbeiter Dolans an der Kirche St. Gertrude the Great war, zugleich aber im Seminar Sanborns unterrichtete. Er verstarb am 11. September 2020.

Sein Tod war vielleicht der Auslöser, daß die freundschaftlichen Bande sich lockerten und gewisse Differenzen zutage traten, die zwar schon dagewesen, aber hinter der Kooperation zurückgetreten waren. (Ein anderer Auslöser wird von manchen darin vermutet, daß Sanborn sein Seminar von Florida nach Pennsylvania zu verlegen gedenkt und damit in gefährlichere Nähe und Konkurrenz zu Dolans Zentrum rückt.) Ein steter Stein des Anstoßes dürfte dabei „DIE THESE“ gewesen sein. Gemeint ist die „Cassiciacum-These“ von Bischof Michel Guérard des Lauriers (1898-1988), welche besagt, daß die „konziliaren Päpste“ zwar „materiell“ Päpste seien, nicht aber „formell“. Hingegen beharren die „Totalisten“ darauf, daß die „konziliaren Päpste“ überhaupt keine Päpste seien, weder „formell“ noch „materiell“. Nun könnte man das als eine nebensächliche, sekundäre Streitfrage unter Theologen einordnen, und so wurde es auch gerne dargestellt. Nur mußte man leider beobachten, daß die Anhänger „Der These“, die man auch „Sedisprivationisten“ nennt in Abgrenzung zu den strikteren „Sedisvakantisten“, ihre Sichtweise so wichtig nehmen, daß sie die Annahme ihrer „These“ als unerläßliche Bedingung für den Empfang von Weihen oder die Zugehörigkeit zu ihren Gemeinschaften verlangen.

Mehr als eine These
3. Schon Bischof des Lauriers soll die Kandidaten, welchen er die Bischofsweihe erteilte, auf seine „These“ verpflichtet haben. Zu diesen gehörte McKenna, der Konsekrator Sanborns, welch letzterer daher seinerseits ein glühender Verfechter „Der These“ ist und ebenfalls niemandem die Hände auflegt, der sich nicht zu dieser bekennt. Zwar verlangt er, soweit uns bekannt, dieses Bekenntnis nicht von jedem Studenten in seinem Seminar – wenngleich er nicht versäumt, diesen bereits im ersten Semester und noch vor Erlangung der nötigen Grundbegriffe in Philosophie und Theologie „Die These“ vorzulegen –, wohl aber von jedem Weihekandidaten. Auch für die Zugehörigkeit zu dem von ihm vor einigen Jahren gegründeten „Römisch Katholischen Institut“ ist das Bekenntnis zur „These“ eine Grundvoraussetzung (s. Privat-Clubs). Ebenso hält es das in Turin ansässige „Institut Mater Boni Consilii“, das sich als Verwalter des Erbes Guérard des Lauriers’ ansieht. Niemand wird in dieses „Institut“ aufgenommen und niemand von seinem Bischof Geert Jan Stuyver (seinerseits 1996 von McKenna zum Bischof konsekriert) geweiht, der nicht „Die These“ gläubigen Herzens annimmt und nach außen bekennt.

Ein solches Verhalten ist in der Tat recht ungewöhnlich und sonderbar. Nie hat es das in der Kirchengeschichte gegeben, daß die Annahme einer theologischen These zur Grundlage und Bedingung für die Aufnahme in eine religiöse Gemeinschaft oder gar für den Empfang von Weihen gemacht wurde. Daraus und aus anderen Indizien – wie etwa der Tatsache, daß gestandene „Sedisprivationisten“ wie Sanborn es nicht lassen können, ihre „These“ zu verbreiten, sei es gelegen oder ungelegen, und sie selbst einem theologisch völlig ungebildeten und in den einschlägigen Fragen vollkommen unerfahrenen und unbeleckten Publikum vorzusetzen – muß man folgern, daß „DIE THESE“ für ihre Adepten mehr als eine bloße theologische These ist, sondern eine echte Glaubensfrage. Und immerhin hat Bischof Sanborn einmal den „Totalisten“ vorgeworfen, ihre Sichtweise „ruiniere“ die „Apostolizität der Kirche“. Nun ist die Apostolizität der Kirche immerhin Glaubenssatz. Wer diesen „ruiniert“, ist daher zumindest in die Nähe der Häresie gerückt. Man versteht, warum die „Sedisprivationisten“ so viel Wert auf ihre „These“ legen und warum die „Totalisten“ sich dagegen wehren.

Bischofsweihen
4. Noch vor wenigen Jahren, am 22. Februar 2018, haben die „sedisprivationistischen“ Bischöfe Sanborn und Stuyver zusammen mit dem „Totalisten“-Bischof Dolan in trauter Eintracht den Sanborn-Schüler Joseph S. Selway – zweifellos ein treuer Anhänger „Der These“, sonst hätte Sanborn ihn nicht auserwählt – feierlich zum Bischof konsekriert. Am 29. September dieses Jahres schritt Bischof Dolan im Alleingang und einigermaßen überraschend seinerseits zur Weihe eines Bischofs. Sein Kandidat war der 30 Jahre junge Rodrigo Henrique Ribeiro da Silva, der erst am 23. Dezember 2017 durch den lefebvristischen „Widerstands“-Bischof Williamson die Priesterweihe empfangen hatte und seine Ausbildung zunächst im „Kleinen Seminar“ einer brasilianischen „Erzdiözese“, dann bei den „traditionalistischen Benediktinern“ von Nova Friburgo und schließlich im „Pius-Widerstands“-Seminar der „SAJM“ von Bischof Faure zu Avrillé erhielt. Seit Sommer 2018 hatte da Silva Kontakt mit Bischof Dolan, traf diesen erstmals im Oktober desselben Jahres, „bekehrte“ sich offensichtlich zum „Sedisvakantismus“ und ist jetzt, gut drei Jahre später, schon Bischof. Nun leitet er den Angaben zufolge ein „Seminar“ in Brasilien. Eine beachtliche Karriere!

Man kann sich vorstellen, daß jeder vernünftige und besonnene Ratgeber Bischof Dolan von der Vornahme dieser Weihe dringend abgeraten hätte. Einen Priester, noch so jung an Lebens-, aber besonders an Weihejahren, der noch kaum priesterliche Erfahrung sammeln konnte, der obendrein einen „Novus-Ordo“-Hintergrund aufweist und „traditionalistisch“ bzw. lefebvristisch, ja sogar „super-lefebvristisch“ geprägt wurde, einfach so zum Bischof zu weihen, ohne ihm erst noch einige Jahre des Wachsens und Reifens und vor allem auch der theologischen Bildung und Durchdringung sowie spirituellen Formung zu gönnen, und ihm sogleich ein „Seminar“ anzuvertrauen, wäre wohl jedem unbefangenen Betrachter als ein allzu kühnes Wagnis, wenn nicht als wahnsinniges Unterfangen erschienen. Der traurige Ausgang ist fast schon abzusehen. In der „Piusbruderschaft“ hat man allzu viele ähnliche Fälle kläglich enden sehen. Möglicherweise hätte Father Cekada den Bischof vor dieser Unklugheit bewahrt.

Die Kontroverse
5. Anlaß der Kontroverse zwischen Sanborn und Dolan war jedoch nicht diese Weihe, sondern ein „Bischofswort“ Dolans vom 13. November dieses Jahres. Darin ermahnte dieser seine Leser, kompromißlos am katholischen Glauben festzuhalten wie weiland der heilige Papst Martin I., der lieber das Exil und den Martyrertod auf sich nahm als Zugeständnisse im Glauben zu machen. Unvermittelt fuhr der Bischof fort: „Selbst die Besten wollen uns heute glauben machen, daß Bergoglio, so schlecht er auch sein mag, der rechtmäßig gewählte Papst ist und daß der Novus Ordo, die Eine-Welt-Kirche, mit der katholischen Kirche identisch ist. Das ist ein theologischer Irrtum und riecht nach Häresie.“ Diese Passage bezog Bischof Sanborn offensichtlich auf sich und antwortete darauf mit einem „Youtube-Video“, zu welchem er in der November-Ausgabe des „Newsletters“ seines Seminars eine Erklärung abgab.

In seinem Video, so schreibt er, habe er Bischof Dolan in bezug auf „die These“ geantwortet, englisch „the Thesis“ – „Thesis“ groß geschrieben, also nicht irgendeine These, sondern eben „DIE These“ –, worunter man verstehe die „theologische Erklärung“ des Bischofs Guérard des Lauriers, um das große „theologische Problem“, das Problem „in der Kirche“ zu lösen, nämlich wie das katholische Dogma bewahrt werden könne, wonach es eine ununterbrochene Sukzession der katholischen Hierarchie (Päpste und Bischöfe) von der Zeit Christi bis zum Ende der Welt geben müsse. Wie wolle ein „Sedisvakantist“ dies erklären, da doch für ihn die gesamte katholische Hierarchie derzeit, und zwar schon seit Jahrzehnten, ausgefallen sei? (Irgendwie erinnert uns das an die von den Lefebvristen immer gegen die „Sedisvakantisten“ ins Feld geführte „Ausweglosigkeit“…) Zwei verschiedene Theorien gebe es bezüglich der gegenwärtigen Sedisvakanz. Die eine sei der sogenannte „Totalismus“, welchen Bischof Dolan und sein Klerus vertrete sowie der „CMRI“-Klerus. Dieser besage, die „Novus-Ordo-Hierarchie“ entbehre nicht nur der Autorität des Lehrens, Leitens und Heiligens, sondern auch jeglicher „legitimen Designation“, also Ernennung oder Erwählung, um eine solche Autorität zu empfangen. „DIE THESE“ hingegen gestehe zwar zu, daß die „Novus-Ordo-Hierarchie“ keine Autorität des Lehrens, Leitens und Heiligens habe, wohl aber sei sie infolge von Ernennung oder Wahl im Besitze eines legitimen Titels, um diese Autorität zu empfangen, wenn anders sie erst einmal ihren Modernismus abgelegt und den katholischen Glauben umfangen hätte. Somit hofften die Anhänger „DER THESE“ schlicht auf die Bekehrung irgendwelcher „Hierarchen“, womit diese umgehend und stracks die betreffende Autorität erhielten.

Frage der Sukzession
6. Von „totalistischer“ Seite höre man bislang nur drei Erklärungsversuche, wie es mit der Sukzession weitergehen könne: Erstens die Wahl eines Papstes durch ein Konklave „traditionalistischer“ Bischöfe; zweitens eine Erscheinung Christi vom Himmel, der einen neuen Papst bestimmt; drittens die verborgene Existenz irgendeines bisher unbekannt gebliebenen letzten katholischen Bischofs, eines „bishop in the woods“, der noch von Pius XII. irgendwie (vielleicht „in pectore“?) ernannt worden ist und eine gültige Weihe hat. Uns war bisher von diesen dreien nur das „konklavistische“ Modell bekannt, von den anderen haben wir noch gar nicht gehört. Sie erscheinen uns jedoch alle drei für sich und insgesamt nicht abwegiger oder abenteuerlicher als die spaßige Vorstellung, Bergoglio oder sonst irgendeiner seiner Kumpels vom „Konziliaren“ Zirkus könne sich auf einmal „bekehren“ und damit ipso facto – schwupps! – wie durch Zauber zum Papst, Kardinal oder Bischof mutieren. Ein „bishop in the woods“ oder ein auf den Wolken des Himmels kommender und uns einen Papst präsentierender Christus wären das weit geringere Wunder.

Doch Spaß beiseite: Für den, der an die Kirche als göttliche Einrichtung und den fortlebenden Christus auf Erden glaubt, ist es überhaupt kein Thema, daß Gott Mittel und Wege finden wird, die kirchliche Hierarchie wieder herzustellen, wenn Er die Zeit für gekommen hält. Man denke nur an das „Abendländische Schisma“, als niemand mehr wußte, wie man aus dieser verfahrenen Situation mit ihren drei Päpsten wieder herauskommen und die Einheit des einen Schafstalls unter dem einen Hirten wiederherstellen sollte. Doch auf dem Konzil zu Konstanz wurde das scheinbar Unmögliche vollbracht, und das ohne irgendwelche mystischen Visionen oder Mirakel, freilich sicherlich nicht ohne die Einwirkung des Heiligen Geistes. Damals gab es übrigens nur noch einen einzigen sicher wahlberechtigten Kardinal, der vom letzten noch unzweifelhaften Papst ernannt worden war (ein „cardinal in the woods“ sozusagen). Papst Martin V., der die Sukzession schließlich fortsetzte, war von einer Wahlversammlung gewählt worden, die zum überwiegenden Teil aus Nicht-Kardinälen bestand. Gemeinsam war ihnen nur, daß sie Katholiken waren und entschlossen, zur kirchlichen Einheit zurückzufinden. Mehr bräuchte es auch heute nicht, und da sind die Streitereien zwischen Katholiken jedenfalls kontraproduktiv. Wie auch immer die Beendigung unserer papstlosen Zeit einmal vor sich gehen wird, eines wissen wir sicher: Sie wird kommen, und sie wird das Werk Gottes sein, der dazu nicht auf uns und unsere armseligen Theorien und Thesen angewiesen ist.

Nach Häresie riechend
7. 25 Jahre lang, schwärmt Bischof Sanborn, bestand zwischen ihm und Dolan trotz der Divergenzen das Einvernehmen, in dieser theologischen Frage eben uneins zu sein, was die engen Verbindungen zwischen Cincinnati und Brooksville nicht beeinträchtigte. In letzter Zeit habe sich jedoch ein Wandel in Dolans Denken vollzogen, und nunmehr sehe dieser in „DER THESE“ einen „gefährlichen theologischen Irrtum“, welcher letztlich zum „Novus Ordo“ führe. Das sei ihm zunächst nur hinter vorgehaltener Hand zugetragen worden, nie habe Dolan das öffentlich gesagt, bis in besagtem „Bischofswort“ vom 13. November die bewußte Anspielung auf „DIE THESE“ aufgetaucht sei, wonach das Festhalten an Bergoglio als „gültig gewähltem Papst“ ein „theologischer Irrtum“ sei und „nach Häresie riechend“. Dabei betrachteten er, Sanborn, und die anderen „THESianer“ Bergoglio keineswegs für einen „gültig gewählten Papst“, sondern nur für jemanden, der zwar in Besitz einer (doch wohl gültigen??) Papstwahl sei, aber keinerlei Jurisdiktion habe, um die Kirche zu leiten, mithin ein falscher Papst sei. Den Vorwurf eines „theologischen Irrtums“ ließe man sich noch gefallen, stimme man doch bekanntermaßen in diesem Punkt nicht überein, nicht aber den, nach „Häresie zu riechen“. Das nämlich rücke „DIE THESE“ in den Verdacht, Häresie zu enthalten, sodaß ihre Vertreter praktisch als „der Häresie verdächtig“ zu behandeln seien.

Diese Anschuldigung gegen ihn und sein Seminar sowie die Mitglieder des „Römisch Katholischen Instituts“ und des „Instituts Mater Boni Consilii“ wollte Sanborn nicht auf sich sitzen lassen. Daher habe er jenes Video produziert, in welchem er zunächst auf die 25 Jahre des guten Einvernehmens, des Friedens und der Toleranz, ja der Zusammenarbeit und der Freundschaft zwischen ihm und Dolan hingewiesen habe, um danach einige Fragen zu stellen, welche die „Inkonsistenz“ oder Widersprüchlichkeit von dessen eigener Position aufzeigen sollten. Denn wenn er, Dolan, behaupte, die „Novus-Ordo-Kirche“ sei eine von Modernisten gegründete Sonder-Kirche, so müßte er ja folglich jene, welche vom „Novus Ordo“ zur katholischen Kirche zurückkehren, ebenso behandeln wie beispielsweise rückkehrwillige Lutheraner, von welchen man eine öffentliche Abschwörung verlangt mit anschließender Lösung von der Exkommunikation. Tue man das nicht, so sei das nichts anderes als die implizite Zustimmung zur Position „DER THESE“. Diese nämlich besage, daß es keine Bildung einer neuen Kirche gegeben habe, sondern daß die „Novus-Ordo-Hierarchie“ – unglücklicherweise – im Besitz der apostolischen Sukzession sei, welche der katholischen Kirche gehöre. Mit anderen Worten, sie hätten keine neue Kirche gegründet, sondern sich der katholischen Kirche für ihre üblen Zwecke zu bedienen gesucht.

Abschwörung
8. Ach ja, es ist das alte Problem! Wie schwer fiel es doch von jeher den Katholiken einzusehen, daß auf dem „II. Vatikanum“ tatsächlich eine neue „Kirche“ entstanden ist. Es wollte ihnen nicht in den Kopf, daß jene, die als katholische Bischöfe in das „Konzil“ hineingegangen waren, es als Funktionäre einer anderen, einer falschen, modernistischen „Kirche“ verließen. Es waren doch dieselben Männer, und sie hatten sich gar nicht verändert! Weder waren ihnen lange Nasen gewachsen noch spitzige Ohren, sie trugen nach wie vor ihre geistliche Kleidung (die sie erst nach und nach ablegen sollten) und ihre bischöflichen Mitren. Kurz, es war nichts zu sehen. Und doch sollte man es bald zu spüren bekommen und am eigenen Leibe erleben, wie sehr sich diese „Kirche“ gewandelt hatte, wie plötzlich alles so anders, so neu geworden war. Sollte das wirklich dieselbe Kirche sein, die gestern so geredet hatte und heute ganz anders? Die gestern verboten hatte, was sie heute befahl? Die gestern noch getan hatte, was sie heute verpönte? Da kamen bei so manchem Zweifel auf, und doch konnte man es einfach nicht glauben. Die meisten ließen sich schließlich täuschen wie die sieben Geißlein und Rotkäppchen durch den bösen Wolf. Oder sie ersannen wunderliche Geschichten und Theorien, wie es sein könne, daß die Mutter oder die Großmutter zugleich der böse Wolf ist, bzw. wie man damit umgehen solle. Immerhin gibt es ja auch so etwas wie Werwölfe…

Da es keine Autorität gab, um in dieser Sache Klarheit zu schaffen, blieb es bei der Verwirrung, und das ist der Grund, warum man von keinem Katholiken eine „Abschwörung“ verlangen kann. Nach wie vor gilt die Menschenmachwerkskirche des „II. Vatikanums“ allüberall und offiziell als die „katholische Kirche“. Wenn der eine oder andere allmählich zur Erkenntnis der Wahrheit gelangt und die Konsequenzen daraus zieht, kann man sich nur freuen und ihn herzlich empfangen, aber doch nicht irgendwelche Forderungen nach „Abschwörung“ stellen oder gar von einer „Exkommunikation“ lösen, wozu wir nicht einmal die Berechtigung hätten und die zumeist auch gar nicht besteht. Auffällig ist übrigens, daß es ausgerechnet die „THEtiker“ sind, die mit solchen absurden Anforderungen kommen, welche nach ihrer Meinung die „Totalisten“ erheben müßten. Es war Sanborn, der seinen „Instituts“-Klerikern verbot, die Sakramente an solche zu spenden, „welche die Novus-Ordo-Messe besuchen“, es sei denn diese würden zuerst „ihre Absicht bekunden, das II. Vatikanum und dessen Reformen zurückzuweisen“. Dasselbe Verbot gilt für jene, die „eine Messe besuchen, auch wenn diese traditionell ist, welche unter Aufsicht oder mit Billigung der Novus-Ordo-Hierarchie gefeiert wird“, oder solche, „die eine traditionelle Messe besuchen, in welcher die Mitglieder der Novus-Ordo-Hierarchie im Te-Igitur-Gebet des Meßkanon genannt werden“, oder „welche die Novus-Ordo-Hierarchie anerkennen als Inhaber der Autorität, in der katholischen Kirche zu lehren, zu leiten und zu heiligen“. Und dann behaupten, die „Totalisten“ seien „Krypto-Thesisten“, obwohl es derlei Unsinnigkeiten bei ihnen nicht gibt!

Die Replik
9. Doch zurück zu Sanborns „Newsletter“. Darin weist er es weit von sich, daß sein „Video“ ein „Angriff“ auf Bischof Dolan gewesen sei. Nein! Es habe sich vielmehr lediglich um einen Versuch gehandelt, diesem die Widersprüchlichkeit seiner Position (ausgerechnet!) aufzuzeigen und ihn vor allem an die glückliche Vergangenheit zu erinnern, in welcher man in Frieden und ohne gegenseitige Häresie-Beschuldigung gelebt habe. (… nun ja, wenn man von der Beschuldigung absieht, die Apostolizität der Kirche zu „ruinieren“, die uns jedenfalls nicht allzu weit vom Häresie-Vorwurf entfernt scheint.) Und so fordert der in Nostalgie schwelgende Bischof seinen Bischofskollegen Dolan auf, doch zum seligen „Status quo ante“ zurückzukehren, und spart am Schluß seines Briefes auch nicht mit hohem Lob für die großen Verdienste seines einstigen Weggefährten. Auf keinen Fall will er, daß der Eindruck eines beginnenden „Krieges“ zwischen ihm und Dolan entsteht. Nur zu den „guten alten Tagen“ wolle er zurück, als alle mit den verschiedenen theologischen Sichtweisen zufrieden und in trauter Eintracht leben konnten. * Sniff *

Bischof Dolan jedoch war mit den sentimentalen Erinnerungen keineswegs zu besänftigen und offensichtlich nicht gewillt, seinerseits die „guten alten Tage“ wiederzubeleben. Vielleicht wäre das anders gewesen, wenn Father Cekada noch lebte. So aber beauftragte er einen seiner Schüler, einen gewissen „Rev. Vili Lehtoranta“, eine „kurze Erklärung“ zu verfassen, „warum wir die These des Guérard des Lauriers zurückweisen“, und ließ diese auf der „Homepage“ von „St. Gertrude the Great“ veröffentlichen. Die vierseitige „Erklärung“, die größtenteils aus Fußnoten besteht, ist wirklich sehr kurz geraten. Der erste Abschnitt lautet knapp und prägnant: „Die Priester und Seminaristen der römisch-katholischen Kirche St. Gertrud die Große vertreten den Standpunkt, daß Johannes XXIII. und seine Nachfolger im Gegenpapsttum öffentliche Häretiker und Abtrünnige sind. Sie sind daher keine Mitglieder der katholischen Kirche und können aus diesem Grund nicht rechtmäßig oder gültig in irgendein Amt in der Kirche gewählt werden, noch können sie dazu bestimmt werden, irgendein Amt in der Kirche zu erhalten.“ Damit ist die Gegenposition zur „THESE“ bereits ausreichend formuliert.

Theologischer Irrtum
10. Es folgt eine kurze Zusammenfassung über die verschiedenen Arten der Zugehörigkeit zur Kirche (innerlich oder äußerlich, zur Seele der Kirche oder zu ihrem Leib), gefolgt von der Feststellung, daß es sich bei der These des Guérard des Lauriers um einen „theologischen Irrtum“ handle. Die Behauptung nämlich, daß ein Häretiker und Apostat wie Bergoglio gültig zum Papst gewählt werden könne, sei der Lehre des göttlichen wie des kirchlichen Rechtes entgegengesetzt. Ein offenkundiger Häretiker oder Apostat trenne sich von der Kirche, nicht nur von ihrer Seele, sondern auch von ihrem Leib, nicht nur innerlich, sondern auch äußerlich, weshalb er kein kirchliches Amt innehaben könne. Wir haben gesehen, daß Sanborn sich gegen die Rede vom „gültig gewählten Papst“ wehrt, doch scheint uns das eine Spitzfindigkeit zu sein. Denn wenn Bergoglio „zwar eine Papstwahl hat, aber keinerlei Jurisdiktion, um die Kirche zu leiten“, letztere ihm aber bei einer Bekehrung automatisch zukommt, dann ist die „Papstwahl“, die er „hat“, ja wohl eine gültige. Auch läßt Sanborn alle Mitglieder seines „Instituts“ in ihrer Erklärung unterschreiben, „daß die Glieder der Novus-Ordo-Hierarchie nur materiell die katholische Hierarchie bilden, d.h. daß sie in Besitz einer legalen gültigen Designation sind, um die Jurisdiktion zu empfangen„. „Legale gültige Designation“ heißt doch wohl „gültige Wahl“!

Ferner, so der Dolan-Adept, nenne man „DIE THESE“ deswegen einen theologischen Irrtum, weil sie die Idee eines „Obex“ einführe, eines inneren Hindernisses oder Hemmnisses, welches verhindert habe, daß „Johannes XXIII.“ und seine Nachfolger trotz rechtmäßiger Wahl die zugehörige Autorität empfingen. Alle Rechtsgelehrten seien sich jedoch einig, daß jeder, der zum Papst gewählt werden könne, auch wahrhaft Papst werden und sein könne. Dabei schaue die Kirche nicht auf die inneren Absichten der Person, sondern allein auf die äußeren Bedingungen wie eben die wenigstens äußere Zugehörigkeit zur Kirche. Man halte „DIE THESE“ darüberhinaus für unlogisch und irrig, weil sie lehre, daß Bergoglio vermittels einer materiellen apostolischen Sukzession die Apostolizität der Kirche legitim aufrecht erhalte. In Wahrheit bedeute materielle Sukzession, daß diese zwar gültig (??), aber illegitim sei. Eine legitime rein materielle Sukzession gebe es nicht, vielmehr sei es gerade die Illegitimität, welche sie zur rein materiellen mache. (Hier scheint ein bißchen was durcheinander geraten, denn selbstverständlich ist die legitime Sukzession mit der formellen gleichzusetzen, während die „nur materielle“ logischerweise illegitim ist, damit natürlich aber auch ungültig.) Außerdem sei es völlig absurd zu denken, daß eine Person, welche den von den Aposteln überlieferten Glauben nicht besitze, dennoch Nachfolger der Apostel sein könne. Wohl wahr.

Heißes Eisen
11. Da „DIE THESE“ außerdem besage, daß Bergoglio und seine Mannen die „legitime Designation“ innehätten, die Apostolizität der Kirche aufrecht zu erhalten, so folge daraus, daß die „traditionellen“ Bischöfe und Priester keine solche legitime Designation besäßen. Habe die „Konziliare Kirche“ die Gewalt zu designieren, so habe sie auch die Gewalt, die Designierung zu verweigern. Somit wäre der „traditionelle“ Klerus illegitim, d.h. außerhalb der Kirche und deren wahrer Apostolizität, wie dies ja vom „Novus Ordo“ und so manchem „Traditionalisten“ auch behauptet werde (von Herrn Salza z.B.). Schließlich und endlich dürfe man diese Differenzen im „traditionellen“ Klerus nicht so ansehen wie die Debatten theologischer Schulen beispielsweise über die Wirksamkeit der Gnade in der Seele, beträfen die in Rede stehenden Themen doch die Frage nach der wahren Kirche Christi und seien daher von großer Bedeutung für das Heil der Seelen. Zwar könne man in gutem Glauben irren, doch dürfe man nicht im Zweifel beharren, wo denn die wahre Kirche sei. Bergoglio sei entweder ein Glied der Kirche oder er sei es nicht. Wenn er es sei und rechtens zum Papst gewählt, dann sei er auch der Papst. Sei er kein Glied der Kirche, dann sei nicht nur sein Papsttum, sondern auch seine angebliche Wahl null und nichtig. Auch seine Organisation, die „konziliare Kirche“, habe entweder den Heiligen Geist als Seele oder eben nicht. Wenn ja, sei sie die wahre Kirche Christi, wenn nein, sei sie eine falsche Sekte und müsse von den Katholiken ganz und gar zurückgewiesen und verworfen werden. Hugh! Der Abbé hat gesprochen.

Gut gebrüllt, Löwe! Auf die Antwort Sanborns warten wir noch. Indes hat dieser seinem November-„Newsletter“ einen Anhang beigelegt, in welchem er zu einem weiteren hochbrisanten Thema Stellung nimmt, nämlich der Frage der „Corona“-Impfung. Das war zweifellos sehr mutig, zumal die Position, die er vertritt, in Tradi-Kreisen nicht gerade große Popularität genießt. Wahrlich ein „heißes Eisen“! Prompt handelte er sich den Vorwurf ein, es der windelweich gespülten, liberalen „Neo-FSSPX“ gleichzutun, ja mehr noch, „Verrat an Jesus“ zu üben und „Satans Agenda“ zu folgen. Dabei klingen seine Ausführungen im Ganzen recht vernünftig. Eigentlich, so beginnt er, habe er sich gar nicht öffentlich zu diesem Thema äußern wollen, so politisch aufgeladen wie es ist. Da jedoch einige Kleriker begonnen hätten, den Gläubigen so manche unerträgliche Lasten aufzuerlegen, habe er sich doch entschlossen, etwas dazu zu sagen, und zwar in Frage-Antwort-Form. Was er da zu sagen hat, wollen wir uns im zweiten Teil unseres Beitrags ansehen.

Fortsetzung folgt