Die Nährkraft der katholischen Kirche
von Dr. Albert von Ruville
III. Kapitel aus seinem Buch: Zurück zur heiligen Kirche
1910


Als im August des Jahres 1909 in Köln der eucharistische Kongreß tagte, wußte wohl der weitaus größte Teil der Protestanten, ja, man darf sagen, der weitaus größte Teil der gebildeten und religiös gesinnten Protestanten nicht, worum es sich eigentlich dabei handelte. Über irgendeine mystische Lehre oder Kultusform der Katholiken mochte dort beraten werden, die der nüchtern und unabhängig denkende Mensch von vornherein ablehnen mußte. Daß dabei der innerste Kern, das Hauptmerkmal des katholischen Glaubens in Frage stand, dürfte nur wenigen klar geworden sein. Es sei daher zunächst in kurzen Worten dargelegt, was die heilige Eucharistie der katholischen Kirche bedeutet.

Mit dem Worte Eucharistie, zu deutsch Danksagung, bezeichnet man seit den ältesten christlichen Zeiten das Sakrament des Altars, die Opferhandlung des neuen Bundes, die in Anlehnung an alttestamentliche Opferbräuche nach den von Jesu beim letzten Abendmahl gegebenen Vorschriften vollzogen wird. In der heiligen Eucharistie wird das blutige Opfer, das Jesus Christus am Kreuze als Hoherpriester zugleich und Opferlamm seinem himmlischen Vater für die sündige Menschheit dargebracht hat, in solcher Weise wiederholt, daß jeder Gläubige mit leiblicher und geistiger Gegenwart daran teilnehmen und der damit verbundenen Segnungen teilhaft werden kann. Dazu gehört die Wandlung des Brotes und Weines in das wahrhaftige Fleisch und Blut Jesu Christi durch das Wort des geweihten Priesters. Dazu gehört die Darbringung des nunmehr gegenwärtigen Opferlammes an Gott den Vater. Dazu gehört der Genuß der Opfergabe, von Seiten des Priesters, und, sei es in leiblicher, sei es nur in geistiger Weise, von Seiten der Gemeinde. Derart wird also das historische einmalige Geschehnis des Kreuzesopfers zu einer täglich immer und immer sich erneuernden Handlung gemacht, von der immer und immer wieder auf alle folgenden Geschlechter reicher Segen auszuströmen vermag. Es bedarf nicht erst langer, philosophisch angehauchter Reden, um dem Volke klar zu machen, daß ein vor Jahrtausenden vollzogenes Opfer auch zu seinem Heile dargebracht sei. Vor seinen Augen, unter seiner handelnden Anteilnahme wird es tatsächlich vollzogen. Ihm unmittelbar wird der daraus entfließende Segen gespendet. Ihm selbst steht es frei, an dem Opfermahle teilzunehmen, vorausgesetzt, daß es sich dazu würdig vorbereitet hat. Das alles ist nicht etwa bloß eine schöne Übung, eine sinnvolle Zeremonie, sondern Wahrheit, volle Wahrheit, ein wirkliches Opfer des wirklich anwesenden Christus, ja, das einzig vollgültige Opfer der Weltgeschichte, dem gegenüber die alttestamentlichen nur als Vorbilder, als symbolische Handlungen erscheinen. Hier ist ja vollgültige Genugtuung geleistet, die dort mangelte.
     In dem Opfer liegt der grundsätzliche Unterschied zwischen katholischem und protestantischem Gottesdienst. In dem protestantischen wird gebetet, gesungen, gelehrt, gelesen. In dem katholischen geschieht das auch, wiewohl nicht immer alles, aber es hat nur eine gewissermaßen dienende Stellung. Die Hauptsache ist die Handlung, die Opferhandlung, mit der sich alles Übrige organisch verbindet. Das Ganze ist ein Organismus, und zwar ein sehr sorgfältig und sinnvoll gegliederter Organismus, dessen Seele das Opfer darstellt. Es ist ein wirklicher Gottesdienst, nicht bloß eine Gottesverehrung, es ist eine priesterliche Handlung, der eine bis ins einzelne gehende sinnvolle und würdige Ausstattung gebührt und verliehen ist. Es wäre unziemlich, wenn der Priester zu einer derartig weihevollen heiligen Handlung im nichtssagenden schwarzen Talar erschiene, so lange die Möglichkeit reicherer Bekleidung vorhanden. Es wäre unziemlich, wenn der Altar nicht in einer den Mitteln der Kirche und Gemeinde entsprechenden Weise geschmückt wäre. Alles Gegenständliche muß in symbolische Beziehung zu dem Opfer gebracht werden, damit das Ganze als eine harmonische, gedankenreiche, wahrhaft beseelte Bildung vor das Auge Gottes und der Gemeinde tritt. Demgemäß hat die Weisheit, die Liebe und die Phantasie der Jahrhunderte daran gearbeitet, den Opferkult so sinnig und würdig als möglich auszustatten. Wer das verachtet oder gar verspottet, der verachtet den Glauben, der entehrt Gott.
     Demgemäß ist auch das katholische Kirchengebäude etwas ganz anderes, als das protestantische. Nicht einen Betsaal, einen Versammlungsraum für die Gemeinde stellt es dar, sondern einen wirklichen Tempel im antiken und jüdischen Sinne, eine Wohnung des Allerhöchsten, wo Opfer dargebracht werden. Diese Opferhandlungen mit den ganzen dazugehörigen Gebeten und Zeremonien werden bezeichnet mit dem Namen der heiligen Messe.

Die hl. Eucharistie ist ein Wunder. Das Brot verwandelt sich bei der Konsekration durch das Wort des Priesters in den Leib, der Wein in das Blut Christi. Sie ist ein Wunder, das sich nur durch den Glauben erkennen läßt. Brot und Wein bleibt der ganzen Erscheinung nach Brot und Wein. Worauf stützt sich unser Glaube an den tatsächlichen Vollzug des Wunders? Zunächst auf die ganz bestimmte, wiederholte, nicht wegzuleugnende und nicht wegzudeutende Erklärung Jesu Christi.
     Bekannt sind die Reden Jesu im Ev. Joh. 6, wo er sich als das vom Himmel gekommene Brot des Lebens bezeichnet und in immer schärferer Ausprägung auf das eucharistische Wunder hinweist. Er verspricht, den Hörern sein Fleisch zu essen, sein Blut zu trinken zu geben, damit sie das ewige Leben hätten, das ohnedem nicht zu erlangen sei. Dem widerstreitet es nicht, wenn er auch sagt: wer an mich glaubt, hat das ewige Leben, denn der Glaube besteht eben, wie aus dem Zusammenhang zu ersehen, in der Annahme und äußert sich in der Befolgung der eucharistischen Vorschrift. Der Glaube an seine Person und an seine Sendung war dem Herrn allerdings die Hauptsache, aber er wußte auch, daß dieser Glaube der Nahrung bedurfte, und darum setzte er das Altarssakrament ein, darum verlangte er den Glauben an dieses Sakrament.

Den Höhepunkt erreichen seine Reden, als er auf den entrüsteten Einspruch der Juden: „Wie kann uns dieser sein Fleisch zu essen geben?“ mit unübertrefflicher Bestimmtheit verkündet: „Mein Fleisch ist wahrhaftig eine Speise und mein Blut ist wahrhaftig ein Trank.“ Und diese wichtigen, diese entscheidenden Worte sind in den protestantischen Übersetzungen bedenklich entstellt worden. Luther übersetzt den griechischen Text folgendermaßen: „Denn mein Fleisch ist die rechte Speise, und mein Blut ist der rechte Trank.“ Und sogar Weizsäcker in seiner angeblich streng wörtlichen Übertragung macht daraus: „Denn mein Fleisch ist wahre Speise und mein Blut ist wahrer Trank.“ Haben beide wirklich nicht gewußt, daß "wahrhaftig" ein Adverbium und kein Adiektivum ist, daß es "wahrhaftig", "in Wahrheit" heißt? Wenn sie aber gemeint haben, den Sinn der Worte auch in ihrer Fassung richtig wiederzugeben, so war das ein entscheidender Irrtum. Sagt man nämlich "wahrhaftig eine Speise", so herrscht volle Klarheit. Was eine Speise ist, weiß jeder. Man ißt sie mit dem leiblichen Munde gerade wie die Juden das Manna, das von Jesus wiederholt zum Vergleich herangezogen wird, mit dem leiblichen Munde gegessen haben, obgleich es vom Himmel gekommen war. Für eine solche Speise wird Jesu Fleisch mit voller Entschiedenheit erklärt, ebenso das Blut für einen leiblichen Trank. Sagt man aber "wahre Speise", so wird der klare Begriff verdunkelt. Es gibt dann begrifflich verschiedene Speisen, wahre und falsche, Speisen wahrer, d.h. höherer, göttlicher Art und Speisen niederer, irdischer Art. Wenn man dann Fleisch und Blut bildlich nimmt, so kann man zu den schönsten philosophischen Auslegungen gelangen, die jede sinnenfällige Handlung entbehrlich machen. Der Spekulation ist Tür und Tor geöffnet, alles Wirkliche verflüchtigt sich ins Reich der Ideen. Wir haben wieder die beliebte geistige Religion für die Gelehrten. Das Volk geht leer aus. Ist es nicht merkwürdig, daß Protestanten gerade einen solchen Übersetzungsfehler machten, der ihren Auffassungen Vorschub leisten konnte?
     Also Jesus verkündete hier wirklich und wahrhaftig das eucharistische Wunder. Das ist auch daraus zu ersehen, daß er die vielen Anhänger, die ihm deshalb den Rücken kehrten, nicht mit mildernden philosophischen Aufklärungen zurückholte, sondern ruhig gehen ließ, daß er sogar den Zwölfen anheimstellte, auch zu gehen, wenn ihnen seine Worte nicht gefielen. Nicht ein Titelchen nahm er davon zurück. Er gab damit seiner Kirche ein herrliches Beispiel, das sie mit seinem Beistand bis heutigen Tages treu befolgt hat. Schroffheit und Strenge in Glaubenssachen gehören zu ihrem innersten Wesen; sie sicher ihr den dauernden Bestand.

Auch die an die Jünger gerichteten Worte sind in den protestantischen Übersetzungen wieder unrichtig. Der griechische Text lautet richtig übersetzt so: Wollt ihr nicht auch weggehen? Also geradezu eine Einladung zum Gehen, damit der Entschluß zum Bleiben vollen Wert gewann. Dieses höchste Wunder, den Mittelpunkt seiner Lehre, wollte Jesus angenommen sehen, ohne daß irgendein anderer Beweggrund als der freie Glaube an seine Person einwirkte. Selbst die Liebe, der persönliche Einfluß wurde ausgeschaltet. Jesus gestaltete die Aussichten so ungünstig wie möglich, um einen entscheidenden Sieg zu erringen. Luther schwächt schon ab, indem er das "nicht" wegläßt: Wollt ihr auch weggehen? Das ist schon keine Einladung zum Gehen mehr, sondern eine indifferente Frage. Weizsäcker aber dreht den Sinn um. Er übersetzt: Ihr wolltet doch nicht auch fortgehen? Ich möchte wohl wissen, ob sich das philologisch irgendwie rechtfertigen läßt. Danach suchte also Jesus die Jünger mit einer verstohlenen Bitte zum Bleiben zu veranlassen. Er appellierte an ihre Höflichkeit und Liebe. Die ganze Festigkeit und Sicherheit ist dahin. Der Leser kann denken, er habe gefühlt, mit seiner Forderung zu weit gegangen zu sein und suche nun nach dem Weggang der andern weiterem Unheil vorzubeugen. Man sieht, wie leicht sich die Bibel zum Schaden der echten Kernlehre, die man vermeiden will, ummodeln läßt.

Das vorausverkündete Wunder hat Jesus dann beim letzten Abendmahle wirklich vollzogen, wobei er wieder seinem Willen und seiner Auffassung den unzweideutigsten Ausdruck gab. Die heiligen Einsetzungsworte sind zu bekannt, als daß sie hier wiederholt zu werden brauchten. Den Jüngern konnte es nicht beikommen, sie anders zu verstehen, als sie gemeint gewesen, da sie schon durch die früheren Reden vorbereitet waren. Sie mußten darin die Erfüllung der vormaligen Zusage erblicken. Eine symbolische oder rein geistige Auffassung blieb ausgeschlossen.
     Es war aber nun nicht bloß ein einmaliges Wunder, was hier geschah, sondern die Einführung eines sich ständig wiederholenden Wunders, zu dessen Vollzug die Jünger Kraft und Macht erhielten, und nicht die Jünger allein, sondern auch alle die, denen sie ihre Kraft und Macht übertrugen. Andernfalls wäre ja das neue Sakrament an die Lebensdauer der Jünger gebunden geblieben. Daß es in der christlichen Gemeinde so gehalten wurde, ist uns Beweis genüg für den entsprechenden Willen Jesu, denn die ersten Christen waren eben besser über dessen Willen und Meinung unterrichtet als wir, die wir nur die kurzen evangelischen Berichte besitzen.
     Es ist ein geheimnisvolles, unerhörtes, dem menschlichen Verstande völlig unfaßbares Wunder, das uns in der heiligen Eucharistie entgegentritt. Nicht die wunderbare Geburt, nicht die Wundertaten, ja nicht einmal die Auferstehung Jesu ist ihm zu vergleichen. Diesen allen Vorgängen kann man mit dem menschlichen Begriffsvermögen einigermaßen nahe kommen, wenn man den Gottesbegriff einsetzt. Warum soll der Allerhöchste nicht die Gesetze der Zeugung durchbrechen, warum soll er nicht seinen eingeborenen Sohn mit übernatürlicher Kraft begaben, warum soll er ihm nicht nach dem Hinscheiden aufs neue Leben einflößen? Das alles ist denkbar. Aber daß sich ein schlichtes Stück Brot, ein Kelch Weines auf ein gesprochenes Wort hin in den lebendigen Christus verwandelt, ja daß der lebendige am Tische sitzende Christus Brot und Wein, die er in seinen Händen hält, in seine eigene Person verwandelt, das ist nicht einmal vorstellbar, das steht weit über den menschlichen Denkgesetzen. Es ist die stärkste Zumutung, die jemals der menschlichen Vernunft gestellt worden ist. Und doch verlangt Jesus unbedingt, daß man ihm auch hierin aufs Wort glaubt. Wer es nicht über sich bringt, der mag gehen, wie so viele gegangen waren, und wenn es selbst ein Apostel wäre.
     Francisco Pizarro, der Eroberer Perus, geriet auf seinem Wege zum Goldland in schwere Bedrängnis, so daß alles verzweifelte und nach Heimkehr rief. Da trat er unter die Mannschaft, zog mit dem Schwerte in den Sand eine Linie von Ost nach West und sagte: Nördlich dieser Linie winkt euch ein bequemes, gefahrloses Leben, aber auch Armut und Niedrigkeit, südlich davon drohen euch schwerste Anstrengungen, heiße Kämpfe und Nöte, aber auch beim Gelingen Reichtum, Macht und Ehre. Nun wählt euern Platz. Alles drängte nach der Nordseite, nur 12 Männer traten zu Pizarro hinüber. Die dreizehn Ruhmessöhne (los trece de la fama) erreichten ihr Ziel.
     Ähnlich zog auch Jesus eine Linie, die seine Getreuen von den Gegnern schied. Diese Linie war die heilige Eucharistie. Wer sich über sie nicht hinüberwagte, den konnte er zu seinem großen Werke nicht brauchen; wer aber soviel Glauben und Vertrauen zu ihm hatte, daß er sie, alle Bedenken überwindend, kühnlich überschritt, der gehörte zu ihm, der konnte die Kirche gründen helfen. Petrus war der erste, der sich entschlossen auf die Seite des Meisters stellte mit dem Bekenntnis: Herr, wohin sollen wir gehen, du hast Worte des ewigen Lebens. Ihm folgten die übrigen Jünger.
     Damit war die Entscheidung gegeben. Nun konnten sie beim letzten Abendmahl das neue Sakrament mit vollem Glauben kennenlernen und empfangen, nun konnten sie die Befugnis und die Macht zur Vollziehung des Wunders übernehmen, nachdem ihnen durch Jesu Leiden, Sterben und Auferstehen das tiefere Verständnis aufgegangen war. Sie waren es dann, die auch bei andern, bei solchen, die anfangs weggegangen, der Erkenntnis Bahn brachen, daß Jesus die Wahrheit geredet. Jene 12 Männer des Pizarro wurden nicht die alleinigen Eroberer von Peru. Sie zogen, als sie das Goldland gefunden, viele andere nach. Sie waren nur der Stamm gewesen, der den Gedanken hochhielt und über den kritischen Augenblick hinüberrettete. So auch bei dem Werke Jesu. Die Jünger blieben in ihrer Überzeugung, in ihrer Arbeit nicht allein. Bald scharten sich viele um sie, die ebenso auf die Worte des Herrn schworen, die ebenso das Unfaßliche im Glauben annahmen. Die 12 waren es aber gewesen, die Bahn gebrochen, die der Anerkennung des unerhörten Wunders den ersten Boden auf dieser Erde bereitet hatten. In ihnen besaß das göttliche Geheimnis zwölf Männer, von denen es ohne Wanken und Zweifeln gegen eine Welt von Feinden vertreten wurde, in ihnen den ersten gesicherten Platz, von dem es sich weithin auszubreiten vermochte. Der Ruhm, den sich der heilige Petrus dabei errungen, indem er den Jüngern und der ganzen Menschheit voran auf Jesu Seite trat, wird in alle Ewigkeit nicht verbleichen.

Es wäre Vermessenheit und Verblendung, das Wunder der heiligen Eucharistie wissenschaftlich prüfen, es beweisen oder bestreiten zu wollen. Es bildet die Grundlage einer neuen Weltanschauung, die Grundlage einer neuen Wissenschaft. Man darf sich nicht auf den weltlichen Standpunkt stellen mit seinen Grundsätzen, Naturgesetzen, wohl gar mit dem Dogma: Wunder sind unmöglich, um von da aus die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit eines Übertritts zu Jesu Lehre zu erwägen. Nein, erst hinüber über die Linie, erst Unterwerfung unter den Willen Jesu, Anerkennung seines heiligen Geheimnisses, dann ehrlich forschen und streben mit allen Mitteln der Wissenschaft. Dann erst kann die volle Wahrheit nicht bloß auf geistlichem, sondern auch auf weltlichem Gebiete erlangt werden.
     Es ist richtig, man kann auch von anderen Punkten aus den festen Boden des Glaubens gewinnen. Die übermenschlich erhabenen Eigenschaften und Lehren, die überwältigende Liebe Jesu haben auf Petrus und die anderen Jünger entscheidend gewirkt. Das Auferstehungswunder mit seiner besonders sicheren Beglaubigung ist am geeignetsten forschende Geister auf den rechten Weg zu führen. Man kann demnach, wie ich es einst getan, auch hier die Fundamente der christlichen Weltanschauung und Wissenschaft suchen. Aber immer gehört das hl. Altarssakrament dazu. Wer in jenen Tatsachen wirklich den christlichen Boden gefunden hat, der muß dieses Sakrament gleich Petrus ohne weiteres anerkennen, sobald es ihm in der echten Form entgegengebracht wird, der ist bereits ein unbewußter Anhänger der hl. Eucharistie. Ich wenigstens habe nicht einen Augenblick zu zögern vermocht, das Geheimnis mit ganzem Herzen zu ergreifen, als ich seinen wahren Inhalt kennengelernt. Wer sich dagegen, wiewohl recht unterrichtet, nicht überwinden kann die Linie zu überschreiten, der hat eben aus jenen Tatsachen nicht den echten Glauben gewonnen, so sehr er es sich auch einbilden, so hohe theologische Würden er auch besitzen mag. Die heilige Eucharistie ist der untrügliche Prüfstein des Glaubens.

Das größte Geheimnis des Christentums ist aber auch so beschaffen, daß es sich in den einfältigsten Gemütern als Wahrheit erweisen kann. Irdische Nahrung erweist sich untrüglich als solche durch den Genuß, den sie verschafft und durch die Kräftigung, die sie dem Körper bietet. Die Gnadengaben des hl. Altarssakraments gewähren einen unbeschreiblichen seelischen Genuß und stärken gleichzeitig das ganze religiöse Leben des Menschen. Das vermag jeder zu erfahren, der sie als wahrhaftiges Fleisch und Blut Jesu Christi anerkennen will und der sich demütig den Vorschriften der Kirche unterworfen hat. Sie bewähren sich also als wirkliche auf die Seele wirkende Nahrung und bieten somit auch dem Einfältigsten ein sicheres Pfand seines Glaubens, ja gerade dem Einfältigsten am ersten, da es ihm am leichtesten ist, die Vorbedingungen zu erfüllen. Willfährigkeit und Demut sind bei den Großen von Stand und Geist weit seltener zu finden.

Somit muß die Einsetzung der hl. Eucharistie als ein Akt höchster göttlicher Weisheit und höchster göttlicher Liebe anerkannt werden.war ein solches eindrucksvolles, deutlich wirksames Sakrament unentbehrlich für die Christen jeder Zeit und jedes Standes. An ihm gewinnen sie ihren Halt in jedem Zweifel, in jeder Anfeindung. Es ist das Band, das sie immer neu mit dem christlichen Lehrgebäude verknüpft. So lange ein solches Wunder noch in und an ihnen geschieht, so lange sie noch einer solchen Beseligung teilhaftig werden, so lange müssen sie an all die Einrichtungen und Lehren glauben, mit denen diese herrlichen Gaben untrennbar, organisch verbunden sind. Von der heiligen Eucharistie führt der Weg unweigerlich zurück zur heiligen Kirche und allen ihren Dogmen, ohne die sie überhaupt nicht zu denken ist, gerade wie er von Kirche und Dogmen zu ihr hingeführt hat. Es findet eine beständige Wechselwirkung statt, in die die menschliche Seele durch die beglückende Erfahrung hineingezogen wird.
     Die Kirche hat sich nicht gescheut, aus der erstaunlichen Wundertatsache jede Folgerung zu ziehen, ohne Rücksicht darauf, ob den Ungläubigen dadurch das Glauben erschwert, ob den Spöttern dadurch neuer Stoff geliefert wurde. Nicht in einem Zentraltempel periodisch nacheinander wurde das Opfer des neuen Bundes dargebracht, sondern gleichzeitig an vielen Orten, ja sogar gleichzeitig in derselben Kirche. Die Apostel und ihre Nachfolger machten uneingeschränkten Gebrauch von der Befugnis, die der Herr ihnen verliehen, ohne an Unmöglichkeiten im irdischen Sinne Anstoß zu nehmen. Wie sollten sie auch, nachdem sie die größte Unmöglichkeit gläubig hingenommen hatten. Die kirchliche Lehre ging dahin, daß Christus an unzähligen Orten gleichzeitig in Brots- und Weinsgestalt erscheinen könne, körperlich und geistig. Sie ging dahin, daß Christus unzähligen Gläubigen gleichzeitig als Nahrung mitgeteilt werden könne, körperlich und geistig. Sie ging dahin, daß es immer der ganze unteilbare Christus mit Leib und Seele sei, der auf dem einzelnen Altare erschien, der dem einzelnen Gläubigen gereicht wurde. Widersinn nach menschlicher höchster Wahrheit nach göttlichen Begriffen.
     Kindern sucht man wohl dadurch eine Art Erklärung dieser Wundertatsache zu geben, daß man sie an einen vielgeteilten Spiegel erinnert, in dem sich derselbe Gegenstand hundertfach widerspiegelt, ohne doch seine Einheitlichkeit einzubüßen. Es ist das ein Gleichnis, das an die Sache nicht heranreicht, denn die Spiegelbilder sind keine wirklichen Gegenstände, während Christus in jeder Hostie wirklich gegenwärtig ist. Ich ziehe lieber das kirchliche Lehrgebäude zum Vergleich heran. Das ist ein einheitliches Ganzes, und doch ist jeder der vielen Teile, aus denen es sich zusammensetzt, ebenfalls das Ganze, da sich alle übrigen Teile mit Notwendigkeit daraus ergeben. Auch darin findet man natürlich kein volles Genüge. Christus ist eben eine einzigartige Gestalt, die sich mit irdischen Maßen nicht messen läßt. Das ist aber auch nicht nötig. Was sich der irdischen Erkenntnis verbirgt, das enthüllt sich der seelischen Erfahrung. Ein jeder, so viele auch die heilige Kommunion empfangen, empfindet die innige Vereinigung mit seinem Herrn und Heilande, empfindet die Beseligung, die diese Vereinigung gewährt.

Die Wandlung geschieht durch die von Jesus gebrauchten, in seinem Namen vom geweihten Priester gesprochenen geheimnisvollen Worte. Wir kennen also und feiern den Augenblick, in dem unser Herr in der Gestalt von Brot und Wein gegenwärtig wird. Seine Gegenwart erreicht ihr Ende mit der Zerstörung der Gestalten, unter denen er erschienen ist, also namentlich dann, wenn sie sich in dem Organismus des Gläubigen verzehrt haben. Es wäre unwürdig, hierüber genaue Erwägungen anzustellen, etwa unter Heranziehung physiologischer Kenntnisse. Es wäre ganz verfehlt, aus dem Umstand, daß sich eine bestimmte Festlegung verbietet, ungünstige Schlüsse auf die Glaubwürdigkeit des ganzen Vorganges zu ziehen. Der Vorgang ist nun einmal ein Wunder, das Glauben und nicht wissenschaftliche Untersuchung erfordert. Es ist Gottes Sache, wie er es am Einzelnen vollziehen will, Gott aber ist nicht an physiologische Gesetze und Begriffe gebunden. Die Allmacht Gottes wird auch den Sakramenten gegenüber von der katholischen Kirche nie geleugnet.
     Die Kirche zieht noch weitere Folgerungen, und zwar um so entschiedener, je schärfere Anfeindungen sie deshalb erfährt. Entgegenkommen gibt es in Glaubenssachen nicht, am allerwenigsten an diesem Mittelpunkt des Glaubens. Vom Augenblick der Wandlung an ist Jesus mit Leib und Seele gegenwärtig, er bleibt also auch gegenwärtig, wenn die konsekrierte Hostie nicht als Speise genossen wird, vorausgesetzt, daß seiner Würde kein Eintrag geschieht. Demgemäß bewahrt jede Kirche solche Hostien in ihrem Tabernakel auf, in dem festen Glauben, daß dadurch Jesus Christus in dem Kirchengebäude wahrhaft gegenwärtig bleibt. Demgemäß wird diesem gegenwärtigen Christus jede schuldige Ehrfurcht erwiesen, durch angemessenes Benehmen, durch Kniebeugungen, durch Anbetung in der Kirche, auch durch Begrüßung im Vorbeigehen an der Kirche, alles Übungen, die den Nichtkatholiken, der den Sinn nicht kennt, zum Kopfschütteln veranlassen.
     Abermals Unbegreiflichkeiten. Jesus weilt im Tabernakel, wird dort verehrt, und gleichzeitig steigt er auf den Altar hernieder, um aufs neue unter der Gestalt von Brot und Wein gegenwärtig zu werden. Torheit, spotten die Gegner; herrliche Wahrheit, bekennen die Gläubigen. Was wäre das Kirchengebäude, wenn Jesus Christus nicht darinnen wohnte, und zwar in anderer Weise wohnte als in den Menschenherzen oder in einer in seinem Namen tagenden Versammlung. Er ist die Seele des Gebäudes, er weiht, heiligt, belebt es auch in der Vorstellung des einfältigsten Christen. Jeder weiß dort, an der Stelle über dem Altar ist das Allerheiligste verborgen, dorthin wenden sich alle Blicke und Herzen, dorthin richten sich alle Andachts- und Ehrenbezeugungen, die dem höchsten Gotte bestimmt sind. Ohnedem ist die Kirche ein toter Versammlungssaal, aus toten Steinen erbaut, wenn auch geweiht zum Dienste Gottes. Hat aber Jesus in Brotsgestalt Einzug gehalten, so ist sie etwas Lebendiges, gewissermaßen ein erweiterter und von ihm belebter Leib Christi, in dem die Gläubigen sich geborgen und beseligt fühlen.

Die Empfindung dafür bildet sich heraus, wenn man sich mit ganzem Herzen an dem kirchlichen Leben beteiligt. Sie wird gesteigert durch die angemessene, sinnvolle Ausstattung des Baues, da alles Gegenständliche, aller Schmuck auf das Geheimnis hinweist, zu dem Geheimnis in Beziehung steht, das im Altar verborgen ruht. Es ist nicht möglich, sich dem Eindruck dieser Geschlossenheit, dieses allgemeinen Hinstrebens nach einem Mittelpunkt zu entziehen. Ebenso erscheint aber alles kahl, öde, bedeutungslos und sinnlos, ja geradezu tot, wenn dieser Mittelpunkt entfernt, das Allerheiligste der Kirche genommen ist. Den Katholiken befällt in einer protestantischen Kirche ein gewisses unangenehmes Gefühl. Es sieht aus wie eine Kirche, ist es aber in seinem Sinne nicht, denn die Hauptsache fehlt. Der Altar ist leer. Weit stärker und widerwärtiger ist dieses Gefühl in einem Bau, der für katholischen Kultus errichtet war und in protestantische Hände übergegangen ist. Schon der Gedanke, daß das Allerheiligste dort hat weichen müssen, weckt solche Empfindungen, aber namentlich auch der Anblick all der Gegenstände und Schmuckstücke, die darauf Bezug hatten und nun jedes Sinnes ermangeln. Das Ganze hat dadurch etwas Leichenhaftes an sich. Ich muß bekennen, daß ich mich schon ehemals in alten, früher katholischen Domen eines derartigen Gefühles nicht erwehren konnte, obgleich mir doch damals das Wesen des katholischen Kultus fremd war. Ich ahnte vielleicht, daß etwas Erhabenes, Heiliges in diesen Räumen geweilt hatte, durch dessen Verlust sie gewissermaßen entseelt worden waren.
     Die beständige leibliche und geistige Gegenwart Jesu in der Kirche übt einen trefflichen erziehenden und heiligenden Einfluß auf die Gläubigen. Immer müssen sie sich unter schwerer Sünde eines ehrerbietigen, würdigen Benehmens befleißigen, immer wieder werden sie auf die Knie gezwungen zur Begrüßung, demütigen Verehrung und Anbetung der geheimnisvoll anwesenden Gottheit. Klar empfinden sie den Unterschied zwischen dem weltlichen Treiben draußen und der Heiligkeit des durch das Allerheiligste geweihten Raumes. Wie müssen da sündige Regungen schwinden, edle, gottgefällige Gedanken in den Herzen aufsprießen, Reue und gute Vorsätze gedeihen. Und welche Ehrfurcht, welcher heilige Schauer muß sie ergreifen, wenn sie dem Altar nahen dürfen, um denselben Gegenstand steter Verehrung, das hochwürdigste Sakrament zur Speise zu empfangen. Gerade diese stete Verehrung, die sie üben, ist hervorragend geeignet, in ihnen das volle Verständnis für die Größe der Gabe wach zu erhalten, ihnen den Glauben an das Wunder der heiligen Eucharistie zu stärken. Dadurch erhöht sich ihnen wieder die Segenswirkung der genossenen Opfergabe.

Den Juden ein Ärgernis und den Griechen eine Torheit, das waren die christlichen Wahrheiten zur apostolischen Zeit. Ärgernis und Torheit sind sie noch heute einem großen Teile der Menschheit, der sich christlich nennt. Diese neuen Gegner aber haben ein anderes Verfahren gewählt als die alten Feinde des Christentums. Sie haben dessen Lehren nicht schlechthin verworfen, aber doch ihrem eigenen Urteil unterstellt, um daraus auszuwählen, was ihnen annehmbar schien und abzustoßen, was ihnen nicht zusagte, immer gestützt auf die Autorität der Bibel, die ja in der mannigfaltigsten Weise ausgelegt werden konnte. Ihnen mußte die heilige Eucharistie der schlimmste Stein des Anstoßes sein, da sie der rein menschlichen Erkenntnis am stärksten widerstrebte. Sie konnten sich daher nicht entschließen, die Scheidelinie frei und frank zu überschreiten wie Petrus und die Apostel. Und doch durften sie nicht hinter diesen zurückbleiben, da sie in ihnen die maßgebenden Glaubenslehrer anerkannten. Die Folge war, daß sie zum Scheine Jesu eucharistischen Lehren zustimmten, in Wahrheit aber weggingen, wie die Juden und die unsicheren Freunde. Sie stimmten eben nicht den wahren, mit unübertrefflicher Deutlichkeit ausgesprochenen Lehren zu, sondern solchen, die sie sich selbst in Anlehnung an diese zurechtgemacht hatten. Eine ungenaue Übersetzung kam ihnen dabei zu Hilfe, und die Auslegung konnte leicht in ihrem Sinne ausfallen, wenn sie die menschliche Logik als Faktor einsetzten. So kann es nicht gemeint gewesen sein, brauchten sie bloß zu sagen, denn das würde der logischen Überlegung widerstreiten, also ist die und die Erklärung berechtigt. So war es aber doch gemeint gewesen, obgleich es den irdischen Gesetzen widerstritt, und darin bestand eben der von Jesus verlangte Glaube, daß man sich im Vertrauen auf seine Unfehlbarkeit darüber hinwegsetzte.
     So trat an die Stelle des katholischen Meßopfers und der katholischen Kommunion, an die Stelle der echten heiligen Eucharistie das protestantische Abendmahl. Die Worte Jesu: das ist mein Leib, das ist mein Blut, wurden umgedeutet. Sie besagten: Brot und Wein ist gleichsam mein Leib und Blut während ihr es genießt. In dem Augenblick werde ich geistigerweise bei euch einkehren. Andere Auslegungen entfernten sich noch viel weiter von dem natürlichen Sinne des Textes, so daß nur ein schlichtes Gedächtnismahl übrigblieb. Indem man so der Hauptschwierigkeit der christlichen Lehre aus dem Wege zu gehen suchte, schnitt man ihr in Wahrheit die Seele heraus. Nun war kein Meßopfer mehr möglich, denn Brot und Wein blieben ja Brot und Wein. Nun konnte Christus nicht mehr geheimnisvoll im Altar thronend das Kirchengebäude beleben und heiligen, von den Gläubigen Kniebeugung und Anbetung fordern. Nun mußte der ganze herrliche Kultus verflachen zu einem mit Gebet und Gesang verbundenen Unterricht. Dafür aber war alles soweit vernünftig und logisch hergerichtet, daß ungläubige Gelehrte nicht mehr gar so sehr darüber eiferten, dafür waren die schärfsten Ecken beseitigt, an denen sich die Gegner des Christentums hätten stoßen können. Nun war die christliche Lehre nicht gar so sehr mehr den Juden ein Ärgernis und den Griechen eine Torheit. Man hatte den Herrn Jesus, der doch recht übertriebene Forderungen gestellt hatte, wesentlich verbessert. Genügte das noch nicht, um die Vernunft zu beschwichtigen und die Feinde zu befriedigen, so konnte man ja noch weiter gehen. Und man ist vielfach weiter gegangen, so weit, daß vom Christentum nur noch ein Schatten übrigblieb. Das war gar nicht zu hindern, denn diesseits der eucharistischen Linie findet sich gegen das Heidentum keine Grenze und kein Schutz mehr. Mögen auch Gebildete unter dem Einfluß gelehrter Theologen noch eine gewisse christlich-philosophische Weltanschauung festhalten, noch aus der christlichen Sittenlehre schöpfen, die Volksmasse kann darin keinen sicheren Halt gewinnen, sie steigt mehr und mehr auf den Standpunkt des kultivierten Heidentums herab.

Was hilft es nun, wenn bei der protestantischen Kommunion auch der Kelch gespendet wird, der in der katholischen aus vornehmlich praktischen Gründen für die Gemeinde in Wegfall gekommen ist? Ob man zu dem natürlichen Brote auch noch natürlichen Wein empfängt, ist doch wahrlich ohne Bedeutung. Durch die Vermehrung der rein irdischen Gaben kann der fehlende Christus nicht ersetzt werden. Die katholische Kommunion in einerlei Gestalt ist nach biblischern Zeugnis eine vollgültige. Der ganze Christus wird dem Empfänger zuteil. Die protestantische Kommunion ist aber ungültig sowohl in einerlei als in beiderlei Gestalt, da in ihr nicht der wahre Leib, das wahre Blut Christi gereicht wird, noch auch gereicht werden soll. Deshalb kann sie doch als Gedächtnismahl durch die dabei ausgelöste Andacht reichen Segen bringen. Nm eine hl. Eucharistie ist sie nicht.
     Wie wäre es auch möglich gewesen, nach dem Bruch mit der allgemeinen Kirche noch das eucharistische Wunder zu vollziehen? Dazu gehörte ein rechtmäßig geweihter Priester, und solche gab es in den sich bildenden Sonderkirchen bald nicht mehr. Die Kraft zur Vollziehung des Wunders war ausschließlich den Aposteln von Jesus übertragen worden; niemandem sonst. Es wäre Willkür, wenn man Jesu Worte anders deuten, wenn man annehmen wollte, er hätte in ihnen alle Gläubigen gemeint. So ist es auch von ihnen nicht verstanden worden. Nur sie und die von ihnen geweihten Priester in regelmäßiger, durch kirchliche Gesetze festgelegter Nachfolge haben sich unterfangen, das eucharistische Opfer darzubringen, die heilige Kommunion zu reichen. Mit der Taufe hatte es eine andere Bewandtnis. Das war eine Handlung, die bei Innehaltung gewisser Formen von jedem Christen vollzogen werden konnte, zu der keine besondere Wunderkraft erforderlich war, eine Handlung, an die sich bestimmte Verheißungen knüpften. Sie sollte zwar normalerweise auch vom Priester gespendet werden, entbehrte aber andernfalls nicht der Wirkung, nicht der Gültigkeit. Das Altarssakrament aber blieb, da es Wunderkraft verlangt, abhängig von der rechtmäßigen Priesterweihe, und daher gebunden an die Zugehörigkeit des Vollziehenden zur katholischen Kirche. Es hatte die Einheit der Kirche zur Voraussetzung.
     Wenn also die Protestanten auch an der wahren Lehre hätten festhalten wollen, sie hätten es nicht gekonnt, ohne zugleich ihre Loslösung von der Kirche rückgängig zu machen, ohne sich aufs neue der katholischen Hierarchie zu unterstellen. So verwandelte sich die Messe, an der man gern so viel als möglich festgehalten hätte, in die mit katholischen Resten durchsetzte Liturgie. Der Kern fiel heraus, die Schale wurde bewahrt. Das Volk erhielt statt des Brotes einen Stein. Daneben trat dann das Abendmahl als Ersatz für die mit der Messe organisch verbundene Kommunion. Die große, heilige, tiefsinnige Opferhandlung zerfiel somit in zwei völlig getrennte Teile, die beide ihres wahren Gehaltes beraubt waren.

Warum, wird vielleicht mancher fragen, soll denn Gott durch Jesus Christus eine solche, nach menschlichen Begriffen ungereimte Einrichtung getroffen haben, die zu glauben so unendlich schwer fallen mußte? Es genügte doch, wenn Christus im Gebet oder in Verbindung mit irgendeiner Zeremonie geistigerweise in die Herzen Einzug hielt. Wozu der körperliche Gegenstand dabei? Das ist aber eben der durchgehende Grundsatz Gottes bei der ganzen Errichtung seines Reiches auf Erden, daß entsprechend dem aus Körper und Geist bestehenden Menschen alles Geistige körperlich in die Erscheinung tritt. Der unsichtbare Gottesstaat erhält eine irdische sichtbare Organisation. Die erste Reinwaschung von allen Sünden geschieht in der hl. Taufe mit natürlichem Wasser. Ein materielles Gebäude zeigt die innere Einheit der Gemeinde usw. So erscheint auch Christus selbst in materieller Gestalt als Speise und Trank unter den Seinigen. Sie nehmen ihn in ihre Seelen auf, indem sie sich auch körperlich mit ihm verbinden. Das Glauben wird dadurch höchstens dem Gebildeten erschwert, der sich alles logisch, nach Naturgesetzen zurechtzulegen strebt, dem Ungebildeten aber erleichtert, da ihm das rein Geistige völlig unverständlich bleiben würde, während er das Körperlich-Geistige trotz des augenscheinlichen Wunders gern anzunehmen bereit ist. Das Wunder erscheint ihm in göttlichen Dingen in der Ordnung, aber anschaulich, mit den Sinnen faßbar muß der Vorgang sein. Jesus hat eben nicht die gelehrten Herren, nicht die geistig Reichen in erster Linie berücksichtigt – die mochten ihr Begriffsvermögen anstrengen, um sich mit seinen Lehren und Einrichtungen abzufinden –, sondern die Masse des Volkes, bis in seine tiefsten Schichten hinab. Diesen sollte das Licht des Evangeliums, der göttlichen Gnade aufgehen, ohne daß es jenen verhüllt worden wäre, falls sie es sich nicht selbst verhüllten. Jesus hat dabei wie immer das Rechte getroffen. Gerade die hervorragendsten Geister des Judentums, der griechischen und römischen Kulturwelt haben das Wunder der heiligen Eucharistie mit voller Hingabe ergriffen und ihm Anhänger, gläubige Empfänger zu werben gesucht.
     Schwerlich wäre es ihnen gelungen, die stolze Burg des Heidentums in wenigen Jahrzehnten zu untergraben, in wenigen Jahrhunderten zu zertrümmern, wenn sie nicht der Masse des Volkes eine solche herrliche, beseligende Gabe hätten darzubieten vermocht. Erst dem 16. Jahrhundert blieb es vorbehalten, das höchste Gnadengeschenk des Christentums zu verschleudern, unter dem Vorgeben, damit im Sinne der Apostel und Kirchenväter zu handeln. Was würden diese gesagt haben, wenn man ihnen ihr köstlichstes Kleinod hätte entreißen wollen!
     Gebe Gott, daß sich die wahrhaft Gläubigen nicht lange mehr von vernünftelnden Beratern und Seelsorgern zurückhalten lassen, die eucharistische Linie zu überschreiten, um an dem heiligen, herrlichen Mahle Christi teilzunehmen, das auch ihnen bereitet ist.


30.08.2022


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