Abschnitte aus dem Buch:
Neue Berichte eines Exorzisten
von Gabriele Amorth
1996./2000.
Es ist eine Tatsache, daß Maria uns immerfort vor dem Teufel warnt, all jenen zum Trotz, die seine Existenz leugnen oder sein Wirken bagatellisieren. In meinen Kommentaren habe ich nie Mühe gehabt, die der Heiligen Jungfrau zugeschriebenen Worte mit Sätzen der Bibel oder des Lehramtes in Beziehung zu bringen. All diese Mahnungen passen gut zur Frau, die vom Anfang bis zum Ende der Menschheitsgeschichte die Gegenspielerin Satans ist; als diese wird uns Maria in der Bibel vorgestellt. Sie stimmen gut überein mit der Haltung, welche die Heilige Muttergottes gegenüber Gott eingenommen hat und die wir nachahmen sollen, um den Plan, den Gott mit uns vorhat, auszuführen. Sie passen auch bestens zur Erfahrung, die alle Exorzisten bezeugen können, wonach mit Händen zu greifen ist, daß die Unbefleckte Jungfrau eine wesentliche Rolle spielt im Kampf gegen Satan und bei der Vertreibung Satans dort, wo er Menschen angreift. Über diese drei Aspekte möchte ich in diesem abschließenden Kapitel nachdenken, nicht so sehr, um abzuschließen, sondern um zu zeigen, wie sehr die Anwesenheit und das Eingreifen Marias notwendig sind, um Satan zu besiegen.
Gleich zu Beginn findet da eine Auflehnung gegen Gott statt, worauf eine Verurteilung erfolgt, aber auch eine Hoffnung sich ankündet, die andeutungsweise auf die Gestalt Marias und des Sohnes hinweist; diese wird jenen Teufel besiegen, dem es gelungen war, die Oberhand über die Stammeltern Adam und Eva zu gewinnen. Diese früheste Heilsankündigung in Genesis 3,15, auch Protoevangelium genannt, wird in der Kunst durch die Gestalt Marias, die der Schlange den Kopf zertritt, dargestellt.
In Wirklichkeit ist es – auch aufgrund des heiligen Textes – Jesus, beziehungsweise die «Nachkommenschaft der Frau», die Satan den Kopf zertritt. Aber der Erlöser hat sich Maria nicht nur zur Mutter auserwählt, er wollte sie auch an seinem Heilswerk teilnehmen lassen. Wenn wir den exegetischen Sinn dieses Textes vertiefen wollen, lesen wir ihn in der offiziellen Übersetzung der Italienischen Bischofskonferenz: «Feindschaft will ich stiften zwischen dir und der Frau, zwischen deinem Samen und ihrem Samen; er wird dir nach dem Haupte trachten, und du wirst nach seiner Ferse schnappen.» So lautet der hebräische Text. Die griechische Übersetzung, die sogenannte Septuaginta, verwendet ein männliches Fürwort, das heißt, es wird ein klarer Bezug zum Messias hergestellt: «Er wird dir den Kopf zertreten.» Hingegen verwendet die lateinische Übersetzung (Vulgata genannt) des hl. Hieronymus ein weibliches Pronomen: «Sie wird dir den Kopf zertreten», indem sie einer marianischen Deutung den Vorzug gibt. Es ist zu bemerken, daß schon früher die ältesten Kirchenväter, seit Irenaus, diese Stelle marianisch gedeutet haben. Und schließlich liegt das Werk des Sohnes und der Mutter klar zutage: «Die Jungfrau gab sich ganz der Person und dem Werk ihres Sohnes hin und diente so unter ihm und mit ihm in der Gnade des allmächtigen Gottes dem Geheimnis der Erlösung.»
Hier wiederholt sich dieselbe Kampfszene. «Ein großes Zeichen erschien am Himmel: eine Frau, mit der Sonne umkleidet, den Mond unter ihren Füßen und auf ihrem Haupt einen Kranz von zwölf Sternen. Sie ist gesegneten Leibes und schreit in Weben und Geburtsschmerzen. Und ein anderes Zeichen erschien am Himmel: Siehe, ein großer, roter Drache mit sieben Köpfen und zehn Hörnern und sieben Kronen auf seinen Köpfen» (Offb 12,1-3). Die Frau ist gerade im Begriff zu gebären und ihr Sohn ist Jesus. Die Frau ist somit Maria.
Wenden wir uns nun dem zweiten Aspekt zu: der Haltung Marias während ihres irdischen Lebens. Ich beschränke mich dabei auf einige Gedanken zu zwei Episoden der Einwilligung: Verkündigung und Golgatha, Maria als Mutter Gottes und Maria als unsere Mutter. Sie zeigen eine für jeden Christen exemplarische Haltung, um im eigenen Leben Gottes Pläne auszuführen, die der Böse mit allen Mitteln zu vereiteln sucht.
Unter dem Kreuz geschieht die zweite «Verkündigung»: «Frau, da ist dein Sohn.» Unter dem Kreuz kommt die Bereitschaft Marias, ihr Glaube und ihr Gehorsam, noch viel deutlicher und stärker zum Ausdruck, da diese ihre Haltung heroischer ist im Vergleich zur ersten Verkündigung. Um dies zu verstehen, müssen wir uns bemühen, uns in die Gefühle der Jungfrau in jenem Augenblick hineinzudenken.
Das zweite Gefühl, auf das man zu wenig Gewicht legt und das doch in diesem und in jedem Leiden einen Halt gibt, beinhaltet: Maria versteht den Sinn dieses Todes. Maria versteht, daß auf diese schmerzliche und menschlich gesehen absurde Weise Jesus triumphiert, herrscht, Sieger ist. Der Engel Gabriel hatte ihr im voraus verkündet: «Dieser wird groß sein und Sohn des Allerhöchsten genannt werden; Gott der Herr wird ihm den Thron seines Vaters David geben, und er wird herrschen über das Haus Jakobs ewiglich, und seines Reiches wird kein Ende sein» (Lk 1,32-33). Maria sieht also ein, daß sich gerade auf diese Weise, durch den Tod am Kreuz jene grandiosen Prophezeiungen verwirklichen.
Das dritte Gefühl, das alle anderen krönt, ist das der Dankbarkeit. Maria sieht, wie sich so die Erlösung der gesamten Menschheit verwirklicht, einschließlich ihrer eigenen, die an ihr im voraus vollzogen wurde. Jedesmal wenn wir ein Kruzifix betrachten, muß, so meine ich, unser erstes Wort ein Wort des Dankes sein. Mit den Gefühlen der vollkommenen Zustimmung zum Willen des Vaters, des Verständnisses für den Wert des Leidens, des Glaubens an den Sieg Christi durch das Kreuz – mit diesen Gefühlen im Herzen findet jeder von uns die Kraft, Satan zu besiegen und sich von ihm zu befreien, wenn man unter seine Herrschaft geraten ist.
Kommen wir nun zum Thema, das uns unmittelbarer interessiert und das sich nur im Lichte des oben Gesagten verstehen läßt. Warum ist Maria so machtvoll gegen den Teufel? Warum zittert und flieht der Böse vor der Jungfrau? Bisher haben wir hierzu die Gründe, wie sie sich aus der Glaubenslehre ergeben, dargelegt. Nun ist es an der Zeit, etwas Unmittelbareres zu sagen, das die Erfahrung aller Exorzisten widerspiegelt.
Ich beginne mit der Apologie der Jungfrau, nämlich einer Verteidigungsrede, die der Teufel selber zu halten gezwungen worden ist. Von Gott dazu genötigt, hat er besser als jeder Prediger die Jungfrau verteidigt und verherrlicht.
und ich bin Sein Kind, wenngleich seine Mutter. Er ist ab aeterno geboren und ist mein Sohn, ich hin in der Zeit geboren und doch bin ich seine Mutter.
Er ist mein Schöpfer und er ist mein Sohn;
Ein fast gemeinsames Sein verbindet Mutter und Sohn,
Wenn nun das Sein vom Sohn empfing die Mutter,
Einer meiner Freunde, Don Faustino Negrini aus Brescia, der vor einigen Jahren gestorben ist, als er das Amt des Exorzisten in einem kleinen Heiligtum (Santuario della Stella) ausübte, erzählte mir eines Tages, wie er den Dämon dazu zwang, ihm die Apologie der Gottesmutter zu halten.
Wenn der Dämon so über Maria spricht, was haben dann wohl die Exorzisten zu sagen? Ich halte mich an die Erfahrung, die wir alle machen: Man erlebt und kann geradezu mit Händen greifen, wie Maria wahrhaftig die Mittlerin der Gnaden ist, weil stets sie es ist, die von ihrem Sohn die Befreiung vom Teufel erwirkt. Wenn man einen Besessenen zu exorzieren beginnt, einen von jenen, in denen wirklich der Teufel steckt, beschimpft uns dieser und macht sich über uns lustig: «Hier fühle ich mich wohl, ich werde niemals von hier wegziehen; du vermagst nichts gegen mich, du bist zu schwach, du verlierst nur deine Zeit...» Doch allmählich tritt Maria auf den Plan und dann ändert sich der Ton: «Sie will es; gegen sie vermag ich nichts; sag ihr, sie solle aufhören, sich für diese Person zu verwenden; sie liebt dieses Wesen zu sehr; für mich ist es damit vorbei...»
In seiner berühmten Predigt über den Aquädukt, die Wasserleitung der Römer, beschließt der hl. Bernhard seine streng theologischen Gedankengänge mit dem lapidaren Satz: «Maria ist der ganze Grund meiner Hoffnung.» Der hl. Bernhard zögert nicht, diese Gedanken in einer entschiedenen Beteuerung Ausdruck zu geben, die den Höhepunkt seiner ganzen Predigt darstellt und die Dante zu seinem berühmten Gebet zur Heiligen Jungfrau inspirierte: «Verehren wir Maria mit dem ganzen Aufschwung unseres Herzens, unseres Gemütes, unserer Sehnsüchte. So will es Derjenige, der festgelegt hat, daß wir alles durch die Vermittlung Marias erhalten.» Dies ist die Erfahrung, die alle Exorzisten jedesmal ganz konkret machen.
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