„Ja, Vater“
Es steht uns nicht an zu fragen

Abschnitte aus dem Buch: Hedwig, Mutter und Herzogin
von Wilhelm Hünermann
1951.


[Hl. Hedwig (1174-1243), die Tochter von Graf Berthold von Andechs-Meranien, wurde im Alter von zwölf Jahren mit Herzog Heinrich I. von Schlesien verheiratet. Ein Jahr später gebar sie ihr erstes Kind, ein Mädchen, das schon nach drei Monaten verstarb. Ein Jahr später kam ihr zweites Kind, wieder ein Mädchen zur Welt, starb es aber auch als Säugling. Hedwig, die vor ihrer Heirat 5 Jahre lang in einem Kloster lebte, hat mit ihrem festen Glauben den Schmerz besser ertragen können, als ihr Mann, so versuchte sie ihn zu trösten.]


Herr Heinrich versank tagelang in düstere Grübeleien… Wollte Hedwig ihn trösten, ihn mahnen, in Gott seinen Frieden zu suchen, so wandte er sich finster ab, gab böse Worte zurück, die bis ins Innerste verletzten. Oft genug eilte er später dann seiner Gemahlin nach, zeigte sich so trostlos über sein kränkendes Gebaren, daß Hedwig ihm von Herzen vergab.
     – Du Ärmster – sagte sie mit wundersamer Güte – du zerreibst deine Seele unter dem Kreuz, weil du dich dagegen auflehnst. Nimm es gelassen hin, und es schmerzt nicht mehr.
     – Wie soll mich das Leid nicht mehr schmerzen? – begehrte Heinrich auf.
     – Weil auch das Leid Gottes lieber Bote ist.
     – Ich höre deine Worte, aber ich verstehe sie nicht. – antwortete ihr Gemahl mit müder Handbewegung – Gott ist nicht gut. Er schenkt, um zu nehmen.
     – Er nimmt, um zu schenken – antwortete Hedwig sanft. – Die Hände, die er ganz ausleert, füllt er mit höherem Gut. Er mag uns all das nehmen, womit unser irdisch Glück verbunden scheint, Stück um Stück, glaub mir, Heinrich, es geschieht nur, um uns höhere Seligkeit zu schenken.
     – Was für eine Seligkeit?
     – Die: zu wachsen in seiner Liebe.
     – Und warum spüre ich gar nichts von dieser Seligkeit? Warum bleibt mir nichts als Gram und Schmerz?
     – Weil du nicht ehrlich bist, wenn du betest: Dein Wille geschehe! Denn wenn du es sagst, denkst du, daß dein eigener Wille geschehen soll. Darum bist du ohne Frieden.
     – Ich werde dich niemals ganz verstehen – erwiderte Heinrich düster und ging müden Schritten davon.

Traurig blickte Hedwig ihm nach. Nur zu wohl wußte sie selbst, wie schwer es ist, das arme, begehrende Herz zur Ruhe zu zwingen, wie es immer wieder aufzuckt unter Gottes Hand, wie es immer wieder aufschreit: Hinweg den Kelch, ich will nicht trinken! Du törichtes Herz! Verwöhntes Kind, das den heilenden Becher von sich stößt weil er bitter ist! Hedwig! Hedwig! Hast so sichere, starke Worte gesagt und ringst doch selbst um die Gelassenheit, jeden Tag und jede Nacht von neuem. Sind zwei Wörtlein, ein Kind kann sie sprechen, so federleicht gehen sie über die Lippen, und sind doch dem Herzen so schwer abzukaufen, weil es immer noch seine Vorbehalte hat und sie nie ganz hergeben will, die zwei Wörtlein, einfältig und schlicht:

J a , V a t e r !

Wer sie sagen kann, der hat den Frieden, und schleppte er sein Kreuz nach Golgatha.


     – Warum war wohl dem Kreuzzug solch jammervolles Ende beschieden? – fragte Adelheid sinnend. – Warum krönte der Herr soviel Heldenmut, solch unsagbares Leid nicht mit Erfolg? Warum läßt er es zu, daß die Ungläubigen seine Streiter höhnen?
Hedwig strich nachdenklich über den Purpur. Dann sagte sie leise:
     – Warum ließ Gott es zu, daß man seinen Sohn mit Dornen krönte und mit dem Purpurkleid verspottete! Wird da nicht alle Frage stumm?
     – Ja, du hast recht, – nickte Adelheid –

es steht uns nicht an zu fragen.


     – Warum liegt das Christkind denn im Stall bei Ochs und Esel und nicht in einer Burg? – fragte Hedwig ältester Sohn, Heinrich.
     – Weil er ärmer sein wollte als alle anderen Kinder auf Erden.
     – Aber warum wollte er denn so arm sein? – fragte der jüngere Bub, Konrad.
     – Weil er für uns leiden wollte, um uns zu erlösen.
     – Das verstehe ich nicht! – gestand Heinrich.
     – Du bist zu dumm, ich verstehe das gut – prahlte Konrad.
     – Dann erkläre es dem Heinrich doch – lächelte die Mutter.
     – Er versteht es auch nicht, wenn ich es erkläre – zog der Kliene sich aus der Klemme.
     – So will ich es euch erklären – antwortete die Mutter. – Denkt, da ist ein ganz armer, armer Bauer, der ist seinem Herrn, dem Herzog viel Geld schuldig, aber er kann es nicht zahlen, nie wird er es zahlen können. Da läßt ihn der Herzog ins Gefängnis werfen!
     – Ins Verlies zu Ratten und Mäusen! – nickte Heinrich schauernd.
     – Ja, ins Verlies. Aber der Herzog hat einen Sohn, der geht zum Vater und sagt: Vater, der arme Mann im Verlies tut mir leid. Ich will für ihn in den Schuldturm. Laß ihn heraus und mich hineinwerfen!
     – Das ist ein Märchen, das tut keiner! – meinte Heinrich ungläubig.
     – Doch, mein Junge, der Heiland hat es getan. Wir alle sind Gottes Schuldner, weil wir gesündigt haben, und darum müßte Gott uns strafen. Aber Gottes Sohn hat Erbarmen mit uns; darum ist er so arm geworden, darum ist er im Stall geboren worden, und darum hat er sich ans Kreuz schlagen lassen, um unsere Schuld zu bezahlen, zu leiden und zu sterben für uns. So lieb hat er uns arme Menschen!
Still wurde es im Zimmer, nur der Sturm heulte durch den Kamin, und der Regen prasselte gegen die Fenster.
     – Hat der Heiland auch uns lieb, Gertrud, Konrad und mich? – fragte Heinrich leise.
     – Ja, er hat euch alle lieb und trägt euch in seinem Herzen!
     – Dann will ich ihn auch immer liebhaben – antwortete Heinrich entschlossen.


Anhang:

„Jacta cogitatum tuum in Domino, et ipse te enutriet – Wirf deine Sorgen auf den Herrn. Er wird dich nähren” (Ps 54,23)

„In te, Domine, speravi, non confurdar in aeternum – Auf Dich, o Herr, vertraue ich; ich werde nicht enttäuscht in alle Ewigkeit” (Ps 30,2)

„Ad te, Domine, levavi animam meam: Deus meus, in te confido, non erubescam – Zu Dir, o Herr, erhebe ich meine Seele; mein Gott, auf Dich vertraue ich, drob werde ich nicht erröten” (Ps 24,1-2)


23.02.2023
7.03.2023


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